Einige wenige tun es das ganze Jahr über. Manche bereits ab 14° C, alle ab 18/19° C. Manche gerne am frühen Morgen, Berufstätige über Mittag, Familien am Nachmittag und bunt gemischt am frühen Abend und an den Wochenenden. Die Rede ist vom Aareschwimmen in Bern.
Als Ausgangspunkte fürs Schwimmen in der Aare sind vorab die zwei traditionsreichen Flussbäder zu nennen: Das 1782 erbaute Marzili- und das 1892 (als Schulbad) gebaute Lorrainebad – gefolgt vom Eichholz. Aareschwimmen geht so: Man trifft sich mit Freundinnen, Freunden oder der Familie in einem der Bäder. Da deponiert man die Kleider oder steckt sie in einen Schwimmsack. Sodann reiht man sich ein in die Kolonne der flussaufwärts Spazierenden. Dabei wird geplaudert und der Verlauf des bisherigen Aaresommers besprochen. Ab Lorrainebad geht‘s hoch bis zum Altenbergsteg, ab Marzili zum Schönausteg oder ins Eichholz. Steht man am Fluss und ist mental bereit, geht es schnell: man legt oder wirft sich in den Fluss und lässt sich schwimmend flussabwärts tragen. Meerwärts! Ist es ein stiller Tag, so hört man die Aaremusik. Es sind Kieselsteine, die durch den Zug des Wassers aufeinanderschlagen und klingelnde, murmelnde, bezaubernde Klänge erzeugen. In Bern hat das Aareschwimmen eine lange Tradition und die Ein- und Ausstiegsstellen sind entsprechend gut sicht- und erreichbar. Doch die Aare ist gefährlich, nur sehr geübte, mit dem Fluss vertraute Schwimmerinnen und Schwimmer sollten darin schwimmen.
Während die Aare früher eine gewisse Schutzfunktion ausübte, Wasserspeicher, Nahrungsquelle und Transportweg war, ist die Aare heute das Naturwahrzeichen Berns. Die Aare mit den Gratisbädern Eichholz, Marzili und Lorraine ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Bevölkerung und trägt viel zur hohen Lebensqualität in Bern bei. Ein entscheidender Faktor für die Tradition des Aareschwimmens ist in der Reinheit des Aarewassers zu finden. Die hohe Qualität des Wassers ist im weltweiten Vergleich eine Rarität. Die allermeisten Berner Kinder steigen zum ersten Mal mit Mama und Papa in den Fluss. Das ist ein Ereignis, worauf sie von Sommer zu Sommer warten. Ist es endlich so weit, ist das ein Glücksmoment für die ganze Familie. Einmal vom Aarefieber gepackt, wollen grössere Kinder schon möglichst bald «alleine», das heisst mit Freundinnen und Freunden, in den Fluss steigen. Und sie werden die Tradition des Flussschwimmens sicher an ihre Kinder weitergeben. Für Bernerinnen und Berner ist ein Sommer ohne Aare kein Sommer. Nichts weiter als verlorene Zeit.
Ort: Bern, Muri b. Bern, Bremgarten b. Bern
Region: Bern-Mittelland
Kategorie: Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum, Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste
Trägerschaft: Sportamt der Stadt Bern
Diese Tradition ist auch in der «Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz» vertreten.