Beim traditionellen "Eiertütschen" (Eierpecken), zu welchem sich jeweils zahlreiche Bernerinnen und Berner am Ostersonntag auf dem Kornhausplatz einfinden, gibt es nur ein Ziel: Die Schale des gegnerischen Eies zu zerbrechen.
Die Spielregeln sind denkbar einfach. Zuerst werden die stumpfen Seiten der Eier gegeneinander geschlagen, dann die spitzen und zuletzt die unbeschädigten Enden. Der Gewinner bekommt das Ei des Verlierers. Spielen kann jeder gegen jeden, und so ergeben sich bisweilen ganz bunte Paarungen. Entstanden ist der Brauch aus einem ganz sachlichen Grund: Der Verzehr von Eiern war den Christen in der vorösterlichen Fastenzeit während 40 Tagen verboten. Da die Hühner aber trotzdem Eier legten, wurden diese durch Einlegen und Erhitzen nach Möglichkeit konserviert. Dieser Überschuss an Eiern wurde anschliessend verziert, verschenkt oder eben zum "Eiertütschen" verwendet.
Dieser Brauch des "Tütschens" wird seit über hundert Jahren durchgeführt. So bezeugen Handzeichnungen des Malers Hans Eggimann (1872-1929) aus dem Jahre 1892 die "Kornhausplatz-Tüpfete". Sie zeigen Varianten des "Eiertütschens", vom schlauen Betrüger mit Holzei bis zum Unglücklichen, der mit einem ungekochten Ei "tütschte" und nun die fatalen Folgen davon auf seinen Kleidern hatte. Wurden früher vor dem Platz noch Eier zum Kauf angeboten, so bringt heute jeder seine Eier selber mit. Das "Tütschen" beginnt jeweils am Ostermontag um ca. 10 Uhr morgens und dauert etwa zwei Stunden.
Wurden in der Region Bern in den vergangenen Jahrhunderten noch viele verschiedene Osterbräuche gepflegt (Umzüge, Tänze, Läufe, Schwingfeste), so ist das "Eiertütschen" heute die einzig verbliebene Ostertradition der Stadt Bern. Noch vor wenigen Jahren drohte diese Tradition langsam auszusterben, da es weder ein Organisationskomitee noch eine Trägerschaft gibt, welche diesen Brauch aktiv bewerben. Es erscheint, wer davon weiss, den Brauch pflegen will und Lust auf das "Tütschen" hat. Glücklicherweise erfreut sich diese Tradition auch dank besserer medialer Präsenz in den vergangenen vier Jahren wieder steigender Beliebtheit. Dadurch füllt sich der Kornhausplatz alljährlich fast zur Gänze mit "tütschenden" Bernerinnen und Bernern und auch vorbeiflanierenden Touristen.
Ort: Bern
Region: Bern-Mittelland
Kategorie: Gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste
Trägerschaft: Bern Tourismus